Die Tanzsprache der Bienen – eines der faszinierendsten Kapitel der Verhaltensbiologie
"...auch die Bienen haben gewisse Lustbarkeiten, so dass sie zuweilen einen Tanz anstellen..."
Die Fülle an Informationen, die die Bienen zum Auffinden einer Futterquelle sammeln, geben sie in Form verschiedener Tänze an ihre Stockgenossinnen weiter. Bereits in früheren Jahrhunderten beobachteten Imker dieses Verhalten der Bienen. Jedoch war stets unklar, was die Bienen mit dem Tanzen bezweckten. So schrieb der deutsche Imker N. Unhoch in seiner „Anleitung zur Bienenhaltung“ 1828: „Es wird manchem lächerlich, ja wohl gar unglaublich scheinen, wenn ich behaupte, dass auch die Bienen…gewisse Lustbarkeiten und Freuden unter sich haben, dass sie sogar auch nach ihrer Art zuweilen einen gewissen Tanz anstellen…“. Die Entschlüsselung der Tanzsprache war schließlich das Lebenswerk des Nobelpreisträgers Karl von Frisch (1886-1982). Sie ist eines der faszinierendsten Kapitel der Verhaltensbiologie.
Nicht optisch sondern akustisch werden Informationen übermittelt
Dabei ist der Tanz nicht – wie es den ersten Anschein haben könnte – mit optischen Reizen verknüpft. Da die Tänze im finsteren Stock stattfinden, vermitteln die Bienen die Informationen allein über taktile, akustische und chemische Reize. Die Sammlerinnen nehmen über die Fühler Kontakt mit den Tänzerinnen auf und folgen diesen auf Schritt und Tritt. Sie werden auch „Nachtänzerinnen“ genannt. Die Tänzerin verrät den Duft der gefundenen Blüten, denn dieser haftet an ihrem Haarkleid. Sie unterbricht auch hin und wieder den Tanz, um Proben des mitgebrachten Futters zu verteilen. Daraus entnehmen die Nachtänzerinnen den Geschmack und den Zuckergehalt des Futters. Und schließlich teilt die Tänzerin über den Tanz die Richtung und Entfernung der Futterstelle mit. Die tanzenden Bienen erzeugen zudem Schwingungen, die von den Waben aufgenommen und weitergeleitet werden. Andere Bienen auf derselben Wabe nehmen diese Schwingungen wahr.
Je schneller die Biene tanzt, desto näher liegt die Futterquelle
Mit dem Rundtanz wirbt die Tänzerin für eine Futterquelle, die im nahen Umkreis des Stockes liegt. Liegt die Futterstelle weiter entfernt, ersetzt der Schwänzeltanz den Rundtanz. Dabei läuft die tanzende Biene eine kurze Strecke geradeaus, kehrt in einem Bogen zum Ausgangspunkt zurück, wiederholt die gerade Strecke, beschreibt einen Bogen nach der anderen Seite, läuft wieder
Der sogenannte Schwänzeltanz gibt Auskunft über die Entfernung einer Futterquelle und die Richtung, in welcher sich diese befindet.
geradeaus usw. Während des geraden Laufes schwenkt die Biene rhythmisch den Hinterleib, sie vollführt so genannte Schwänzelbewegungen. Die Entfernung des Futterplatzes ist im Tanztempo verschlüsselt, das heißt in der Anzahl der Schwänzelbewegungen, die pro Zeiteinheit durchlaufen werden. Der Tanz ist umso schneller, je näher die Futterquelle liegt. Die Richtung der Futterstelle in Bezug auf die Position der Sonne wird von den Bienen über die Richtung der Schwänzelstrecke bezüglich der Richtung nach „oben“ („Sonne ist oben“ in der Bienensprache) verschlüsselt.
Ein Sinnesorgan für die Messung des Kohlendioxidgehaltes
Neben dieser unvorstellbaren Gedächtnisleistung und Lernfähigkeit der Bienen, sind sie des Weiteren durch entsprechende Sinnesorgane in der Lage, den Kohlendioxidgehalt der Luft, die relative Luftfeuchtigkeit sowie die Temperatur wahrzunehmen, um ein konstantes Nestklima aufrechtzuerhalten. Sie können tasten, schmecken, Vibrationen wahrnehmen und sogar ihre eigene Körperlage sowie die Stellung ihrer Waben im Raum mit einem Schwereorgan feststellen.
Wenn man all´ dies weiß, so lässt sich das Zitat Karl von Frischs nachvollziehen, der einst sagte: „Das Leben der Bienen ist wie ein Zauberbrunnen: Je mehr man daraus schöpft, umso reicher fließt er.“
"...welche Vernunft, welche Kraft, welche unglaubliche Perfektion äußert sich in diesen so kleinen und unscheinbaren Lebewesen!"
Plinius der Ältere (23 bis 79 n. Chr.), Historia Naturalis, 11,2